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Tagesaktualitäten, banales Zeug.«
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»Und Sie haben nicht versucht, ihn & runterzubringen?«
»Was denn sonst, Herr Süden?«
Wir standen im Flur, vor einem schmalen hohen Spiegel, in
dem unsere Gesichter von der Reflexion des Lichts glänzten.
»Bei unserer letzten Sitzung ging ich aus dem Zimmer und
ließ ihn einfach weiterreden. Er begriff überhaupt nicht, was
passierte. Danach haben wir uns nicht mehr gesehen.«
»Und in dem Wust von Worten, mit dem er Sie zugeschüttet
hat, war nichts, was Sie aufhorchen ließ? Was Sie auf eine Spur
zu den Ursachen seines Zustands gebracht hat?«
»Das Einzige«, sagte der Arzt, »woran ich mich erinnere, ist
sein Ausspruch: Alles, was ich mache, ist wertlos und sinnlos,
und das war es immer. Etwas in der Art. Natürlich habe ich
versucht, an dieser Stelle einzuhaken, aber da war er schon
wieder weit weg, platzte schier vor Gerede. Ich weiß nicht, in
welchem Zustand er heute ist, damals kam er mir bei aller
Verzweiflung, unter der er litt, sehr energetisch vor, sehr
lebendig, aggressiv, voller Power. Aggressionen sind auch
Zeichen von Lebendigkeit.
Und diese Mischung, Herr Süden, ist eine der gefährlichsten,
die es gibt. Jemand, der sich in einer Depression befindet, dazu
krankhaft trinkt und gleichzeitig wie aufgedreht, wie überdreht
durch die Welt geht, dessen Zustand ist in höchstem Maße
lebensbedrohlich. Eine amerikanische Dichterin, die diese
Zustände aus eigener Erfahrung kannte, sprach von einer
furchtbaren Energie, die sie nicht zur Ruhe kommen ließ, wie
ein Tiger im Käfig, der auf und ab läuft, berstend vor
unerträglicher Unruhe.
Menschen, die sich in solchen Zuständen befinden, sind
extrem selbstmordgefährdet. Und ich glaube, Johann Farak
befand sich in solchen Zuständen von Kindesbeinen an. Ich
kann es nicht beweisen, ich weiß es nicht, ich vermute es nur.
Ich weiß nicht einmal, ob es in seiner Familie schon Fälle von
Selbstmord gegeben hat. Wissen Sie es?«
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»Nein«, sagte ich. Und nahm mir vor, danach zu fragen.
»Was werden Sie jetzt tun?«
Ich sah in den Spiegel und begegnete dem Blick des Arztes.
Ich wusste keine Antwort.
Ich ging einfach immer weiter, über die kleine Brücke, unter der
der Eisbach fließt, quer über die Wiese, eine weite Strecke, bis
ich das schlammige Erdreich unter meinen Schuhen bemerkte.
Zurück auf dem Kiesweg, waren meine Stiefel und ein Teil der
Hosenbeine vollkommen schmutzig. Aber ich blieb nicht stehen.
Wie von einem Ruf gelockt, folgte ich dem Weg am
Kleinhesseloher See entlang, wandte mich nach links und
erreichte nach ungefähr einer Viertelstunde den Biergarten am
»Seehaus«, dessen Bänke und Tische leer und verlassen im
Halbdunkel standen. Hinter den Fenstern im Restaurant
brannten Lichter. Spaziergänger kamen an mir vorbei, ein Gast
trat aus dem Lokal auf die Terrasse und steckte sich eine
Zigarette an, er trug einen Anzug und eine Fliege, und nun hörte
ich die Musik, eine Band spielte Tanzlieder, und ich sah die
Schemen von Leuten, die sich bewegten, im Kreis drehten,
umherliefen.
Mit dem Ärmel meiner Lederjacke wischte ich über eine der
Holzbänke und setzte mich, den Blick auf den schwarzen See
gerichtet, über den lautlos die Schwäne glitten.
Und ich hörte die Frage des Arztes wieder: Was werden Sie
jetzt tun? Was werden Sie jetzt tun?
Heute weiß ich, wer wirklich etwas für ihn hätte tun können,
in jenem Moment dachte ich nicht an eine konkrete Person,
sondern an ein sphärisches Wesen, wie es jedem von uns an die
Seite gestellt ist, ähnlich einer Elfe, die eine Pflanze beschützt.
Anders als wir Menschen wissen Pflanzen den Wert der ihnen
zugeteilten Elfe zu schätzen, sie haben ein kosmisches
Vertrauen zu ihr. Wenn eine Pflanze stirbt, überwintert die Elfe
in der Erde und sorgt sich im Frühjahr um eine neue Pflanze. Es
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heißt, Elfen tun fünf Jahre Dienst auf Erden, bevor sie in ihre
sphärische Welt zurückkehren, wo sie allerdings nicht für immer
ausharren müssen, wenn sie nicht wollen. Sie dürfen dann auf
die Erde zurückkehren. Falls sie bleiben möchten, können sie
sich im Lauf von tausend Jahren zu Feen entwickeln.
Wir Menschen dagegen sprechen oft von Schutzengeln, aber
wir glauben nicht an sie, wir glauben an Airbags,
Sicherheitsgurte, raffinierte Bremssysteme, Hightechtriebwerke,
an die Geistesgegenwart von Bodyguards und Polizisten. So [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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